Mittwoch, 18. Januar 2017

Rezension: Das wärmende Nest in der Manteltasche

zu Monika Littaus Gedichtsammlung "über malungen"













„Übermalung“ kann in der Kunst dreierlei bedeuten: eine nachträgliche Verbesserung des Künstlers, die Ausarbeitung von Bildschäden durch einen Restaurator oder das negierende Übermalen eines anderen Künstlers.
Monika Littaus Gedichtband heißt allerdings über malungen, und schon dieser kleine Leerschritt auf dem traumhaft schönen Cover zeigt, dass man hier ganz genau hinsehen und lesen muss.
Denn die Autorin verbessert, repariert oder negiert nichts, sie nimmt die Kunstwerke als Ausgangspunkt für ihre Gedichte, und wie eine Tulpenzwiebel mit der gewachsenen Blüte nichts gemein hat als eben den Ursprung, findet Monika Littau zu einer ganz eigenen Kunstform, was die Qualität ihrer Gedichte ausmacht. Es sind keine Bildbeschreibungen und auch keine Interpretationen, sondern Pflanzungen, Kompostierungen und Metamorphosen. Die Eindrücke, die die Autorin bei der Beschäftigung mit der Kunst erfahren hat, gibt sie in ihre Gedichte hinein, manchmal findet sich noch eine Farbe, eine Struktur oder ein Bild. „Bilder fallen neu“ heißt so auch einer der acht Zyklen, das ist durchaus programmatisch.
Zum Weiterlesen klicken: 


Im Anhang finden sich ein analytisches Nachwort von Prof. Dr. Wolfgang Kubin und vor allem ausführliche Anmerkungen zu den KünstlerInnen und ihren Werken. Obwohl die Gedichte für sich selbst stehen und es für mich bei Versen wie
„die schale gibt es und auch die nuss / das licht gibt es auf dem glänzenden Stein /den schatten der wandert“ oder „trauergesellschaft die sich erst öffnet / wenn die kaktusblüte welkt“ erst einmal nebensächlich ist, worauf sie sich beziehen, bietet die Beschäftigung mit diesen Anmerkungen einen weiteren Anreiz dieses Gedichtbandes: Wer will, kann weiterlesen, die Kunst kennenlernen und indirekt dadurch auch einen Eindruck in den Schaffensprozess der Autorin gewinnen. Möglich ist also beides: die Gedichte einfach nur zu genießen oder sich darüber hinaus auf die Kunst einzulassen.

Besonders nachvollziehbar ist das bei dem Zyklus für Mary Heilmann, weil hier das betreffende Bild immer auch abgedruckt ist (und zwar farbig, was ja leider nicht selbstverständlich ist). So kann man direkt von einem zum anderen sehen und Monika Littaus Assoziationen folgen oder eigene Lesarten des Bildes finden. Besonders gelingt das im Gedicht zum Gemälde „The Big Black Mirror“, in dem es heißt: „ein gehäuteter fisch / versinkt in der tiefsee“ oder auch im Gedicht zu „My best friend“, in dem der Vers „kein lichtschluck weiter“ eine kongeniale Umsetzung der schwarzen Farbfläche findet.

Monika Littaus Gedichte sind schön, ohne kitschig zu sein, und artifiziell, ohne verkopft zu sein. Sie sind schwierig, aber nicht technokratisch, und sie sind modern, ohne die Tradition der klassischen Naturgedichte außer Acht zu lassen.

Überfliegen oder nebenbei lesen kann man die Gedichte von Monika Littau nicht, da entgeht einem zu viel. Man muss die Texte – wie so oft bei Lyrik - am besten laut lesen. Lässt man sich vom Zeilenumbruch, der häufig gegen die Grammatik gesetzt ist, nicht in die Irre führen, sondern vertraut dem Klang der Worte, dann fügen sich die Satzteile zusammen und falten ein Bild voller Lebendigkeit und Zartheit auf. Die Fährtensuche durch diese Naturgedichte lohnt sich, denn man wird belohnt mit Versen wie „ab heute / trägst du den mantel mit tasche /darin ist ein nest für das jahr“ oder „als sei das grüne gefühl verholzt / und will doch nicht brennen“.

Bei meinem Lieblingsgedicht „winterfrüchte“ reicht es nicht, es nur laut zu sprechen, das ist so schön, das muss man auswendig lernen, damit man es als wärmendes Nest in der Manteltasche durch den Winter tragen kann:

„die elstern wachsen wie winter früchte
und misteln nisten tief im astgewöll
dieser worte reckt sich der nackte walnuss
stamm als das abziehbild eines vogels
jetzt schatten wirft auf das papier wickelst
du dich in das fuchsfell vom hang und die
elster tschäkert und fliegt von einer
krone zur andern“




Monika Littau: über malungen. Gedichte. Mit einem Nachwort von Wolfang Kubin. 96 Seiten. Düsseldorf: Edition Virgines 2016.