„Übermalung“ kann in der Kunst
dreierlei bedeuten: eine nachträgliche Verbesserung des Künstlers, die
Ausarbeitung von Bildschäden durch einen Restaurator oder das negierende Übermalen
eines anderen Künstlers.
Monika Littaus Gedichtband heißt
allerdings über malungen, und schon
dieser kleine Leerschritt auf dem traumhaft schönen Cover zeigt, dass man hier
ganz genau hinsehen und lesen muss.
Denn die Autorin verbessert,
repariert oder negiert nichts, sie nimmt die Kunstwerke als Ausgangspunkt für
ihre Gedichte, und wie eine Tulpenzwiebel mit der gewachsenen Blüte nichts
gemein hat als eben den Ursprung, findet Monika Littau zu einer ganz eigenen
Kunstform, was die Qualität ihrer Gedichte ausmacht. Es sind keine
Bildbeschreibungen und auch keine Interpretationen, sondern Pflanzungen,
Kompostierungen und Metamorphosen. Die Eindrücke, die die Autorin bei der
Beschäftigung mit der Kunst erfahren hat, gibt sie in ihre Gedichte hinein, manchmal
findet sich noch eine Farbe, eine Struktur oder ein Bild. „Bilder fallen neu“
heißt so auch einer der acht Zyklen, das ist durchaus programmatisch.
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Im Anhang finden sich ein
analytisches Nachwort von Prof. Dr. Wolfgang Kubin und vor allem ausführliche
Anmerkungen zu den KünstlerInnen und ihren Werken. Obwohl die Gedichte für sich
selbst stehen und es für mich bei Versen wie
„die schale gibt es und auch die
nuss / das licht gibt es auf dem glänzenden Stein /den schatten der wandert“
oder „trauergesellschaft die sich erst öffnet / wenn die kaktusblüte welkt“
erst einmal nebensächlich ist, worauf sie sich beziehen, bietet die
Beschäftigung mit diesen Anmerkungen einen weiteren Anreiz dieses
Gedichtbandes: Wer will, kann weiterlesen, die Kunst kennenlernen und indirekt
dadurch auch einen Eindruck in den Schaffensprozess der Autorin gewinnen.
Möglich ist also beides: die Gedichte einfach nur zu genießen oder sich darüber
hinaus auf die Kunst einzulassen.
Besonders nachvollziehbar ist das
bei dem Zyklus für Mary Heilmann, weil hier das betreffende Bild immer auch
abgedruckt ist (und zwar farbig, was ja leider nicht selbstverständlich ist).
So kann man direkt von einem zum anderen sehen und Monika Littaus Assoziationen
folgen oder eigene Lesarten des Bildes finden. Besonders gelingt das im Gedicht
zum Gemälde „The Big Black Mirror“, in dem es heißt: „ein gehäuteter fisch /
versinkt in der tiefsee“ oder auch im Gedicht zu „My best friend“, in dem der
Vers „kein lichtschluck weiter“ eine kongeniale Umsetzung der schwarzen
Farbfläche findet.
Monika Littaus Gedichte sind schön,
ohne kitschig zu sein, und artifiziell, ohne verkopft zu sein. Sie sind
schwierig, aber nicht technokratisch, und sie sind modern, ohne die Tradition
der klassischen Naturgedichte außer Acht zu lassen.
Überfliegen oder nebenbei lesen
kann man die Gedichte von Monika Littau nicht, da entgeht einem zu viel. Man
muss die Texte – wie so oft bei Lyrik - am besten laut lesen. Lässt man sich
vom Zeilenumbruch, der häufig gegen die Grammatik gesetzt ist, nicht in die
Irre führen, sondern vertraut dem Klang der Worte, dann fügen sich die
Satzteile zusammen und falten ein Bild voller Lebendigkeit und Zartheit auf.
Die Fährtensuche durch diese Naturgedichte lohnt sich, denn man wird belohnt
mit Versen wie „ab heute / trägst du den mantel mit tasche /darin ist ein nest
für das jahr“ oder „als sei das grüne gefühl verholzt / und will doch nicht
brennen“.
Bei meinem Lieblingsgedicht
„winterfrüchte“ reicht es nicht, es nur laut zu sprechen, das ist so schön, das
muss man auswendig lernen, damit man es als wärmendes Nest in der Manteltasche
durch den Winter tragen kann:
„die elstern wachsen wie winter
früchte
und misteln nisten tief im
astgewöll
dieser worte reckt sich der nackte
walnuss
stamm als das abziehbild eines
vogels
jetzt schatten wirft auf das papier
wickelst
du dich in das fuchsfell vom hang
und die
elster tschäkert und fliegt von
einer
krone zur andern“
Monika Littau: über malungen. Gedichte. Mit einem Nachwort von Wolfang Kubin. 96
Seiten. Düsseldorf: Edition Virgines 2016.